Stellungnahme der Gewerkschaft Verwaltung und Verkehr – GVV –

zum Referentenwurf der Senatsverwaltung fĂŒr Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung fĂŒr ein Gesetz ĂŒber den Vollzug des Jugendarrests in Berlin

(Jugendarrestvollzugsgesetz – JAVollzG Bln) (Stand: 4. Januar 2021)

  1. Die bisher geltenden bundesrechtlichen Bestimmungen zum Vollzug des Jugendarrests im Jugendgerichtsgesetz (JGG) und der Verordnung ĂŒber den Vollzug des Jugendarrestes (Jugendarrestvollzugsordnung – JAVollzO) sollen durch ein Gesetz ĂŒber den Vollzug des Jugendarrests in Berlin (JAVollzG Bln) ersetzt werden. Der Gesetzentwurf bildet, so die Justizverwaltung, die fĂŒr den Berliner Jugendarrestvollzug bereits bestehenden Standards ab und schreibt sie gesetzlich fest.
  2. Der Gesetzentwurf lehnt sich eng an die Gliederung und die Inhalte des Berliner Jugendstrafvollzugsgesetzes (JStVollzG Bln) an und ĂŒbernimmt bei einer hohen Anzahl von wichtigen Einzelbestimmungen vielfach wortgleich die Regelungen des Jugendstrafvollzugsgesetzes. Nicht nur in der Vollzugspraxis könnte der Eindruck entstehen, dass die Besonderheit und EigenstĂ€ndigkeit des Jugendarrests nicht in ausreichendem Maße beachtet und der Erziehungsauftrag in den Hintergrund zu treten hat.
  3. Ob die gemeinsam mit dem Land Brandenburg im Staatsvertrag vom September / Oktober 2015 ĂŒber die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Jugendarrestanstalt Berlin-Brandenburg vereinbarten Ziele vom Referentenentwurf vollstĂ€ndig erfasst werden, ist nach dem Gesetzentwurf nicht erkennbar.
  4. In der Vorlage wird auf die von einer lĂ€nderĂŒbergreifenden Arbeitsgruppe, an der sich 14 BundeslĂ€nder und das Bundesministerium der Justiz beteiligten, erarbeiteten und vom Strafvollzugsausschuss der LĂ€nder in einem Eckpunktepapier beschlossenen 23 Eckpunkte fĂŒr die Rahmenbedingungen des Jugendarrestes nicht Bezug genommen.
  5. Der Staatsvertrag der LĂ€nder Berlin und Brandenburg vom September/Oktober 2015 ĂŒber die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Jugendarrestanstalt sieht im Artikel 4 vor, dass der  Vollzug des Jugendarrestes, insbesondere seine AufgabenerfĂŒllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Ziele sowie die Maßnahmen zu deren Umsetzung und die Wirkung der Maßnahmen auf die Erreichung des Vollzugsziels regelmĂ€ĂŸig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere geeignete Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden. Ergebnisse dieser seit 2015 vorgesehenen Evaluation sind aus der BegrĂŒndung zum Gesetzentwurf nicht zu entnehmen.
  6. Die anderen 14 BundeslĂ€ndern, in denen Jugendarrest vollstreckt wird, haben in den Jahren 2013 bis 2020 gesetzliche Grundlagen fĂŒr den Jugendarrest geschaffen. Das fĂŒr das Land Berlin beabsichtigte Gesetzesvorhaben könnte also die Erfahrungen der anderen BundeslĂ€nder und die zahlreichen wissenschaftlichen Evaluationsergebnisse zum Jugendarrestvollzug berĂŒcksichtigen, ja: mĂŒssen. Die Vorlage enthĂ€lt weder dazu noch auf die empirischen Befunde im vergangenen Jahrzehnt zum Jugendarrest entsprechende Hinweise.
  7. Der Gesetzentwurf im § 3 – Förder- und Erziehungsauftrag, GrundsĂ€tze der Arrestgestaltung – im Absatz 6 normiert die Zusammenarbeit mit Dritten. Insgesamt werden beispielhalt 17 staatliche Stellen, Einrichtungen, Organisationen, Personen und Vereine genannt, mit denen beim Vollzug des Jugendarrests zu kooperieren ist. Dem Entwurf mangelt es jedoch an einer Vorschrift darĂŒber, wie der Jugendarrest in die Hilfeplanung nach dem Jugendhilfe- und Jugendfördergesetz (AG KJHG) in der Verantwortung des Jugendamtes konkret eingepasst und der Hilfeplan des Jugendamtes berĂŒcksichtigt wird. Außerdem bedarf es dringend einer Beachtung des Jugendarrests im Aufgabenfeld des Landesjugendhilfeausschuss von Berlin. § 50 AG KJHG könnte dementsprechend ergĂ€nzt werden.
  8. Abschnitt 2 – Aufnahme, Förder- und Erziehungsbedarf – des Gesetzentwurfs sieht den Verlauf des Aufnahmeverfahrens mit dem ZugangsgesprĂ€ch und der Feststellung des Förder- und Erziehungsbedarfs vor. Es wird angeregt, dass eine Bestimmung aufgenommen wird, um festzulegen welche Bedienstete bzw. welcher Bedienstete als fallverantwortliche Person fĂŒr die DurchfĂŒhrung der GesprĂ€che und die Festlegung des Förder- und Erziehungsbedarfs fĂŒr alle beteiligten Stellen usw. innerhalb und außerhalb der Jugendarrestanstalt die stĂ€ndige und unmittelbare Ansprechperson ist, um eine kontinuierliche Vollzugsarbeit bei der Umsetzung der festgelegten Hilfen zu gewĂ€hrleisten. Damit wir die bewĂ€hrte Teamarbeit nicht in Frage gestellt, sie wird vielmehr durch die personelle Anbindung der Arrestierten gefördert.
  9. Die vorgesehene Bestimmung in § 51 – Berliner Vollzugsbeirat muss entfallen. Der Jugendarrest hat eine erzieherische als auch eine ahnende, also strafende Funktion. Dieser Zielkonflikt und lĂ€sst Gestaltungsfreiheit des Jugendarrestvollzugs zu. Die Frage ist nur, welcher Funktion wird der Vorrang eingerĂ€umt. Das beabsichtigte Gesetz sollte sich nicht nur bei der Arrestgestaltung, der Auswahl der Stellen fĂŒr die Zusammenarbeit, sondern besonders bei der Einbeziehung in die verwaltungsinternen Kommunikationswege oder der Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern aus anderen Einrichtungen, die nicht nur der fĂŒr Justiz zustĂ€ndigen Verwaltung nachgeordnet sind, die Erziehungsfunktion in den Vordergrund stellen. Es wĂ€re mehr als ein deutliches Zeichen, wenn kĂŒnftig der Jugendarrest in das Netzwerk der Jugendhilfe in Berlin eingegliedert ist als in den von anderen SachzwĂ€ngen bestimmten Berliner Vollzugsbeirat. Der Jugendarrest muss den direkten und unmittelbaren Zugang zur Aufsichtsbehörde haben und nicht ĂŒber die Mitarbeit im Berliner Vollzugsbeirat darauf angewiesen sein. Die Aufgaben der Anstalts- und Arrestleitung könnten sicherlich danach offensiver wahrgenommen werden.  Â