Dem Abgeordnetenhaus von Berlin hat das Bundesverfassungsgericht am 28. Juli 202 eine Frist gesetzt. Bis spätestens zum 1. Juli 2021 hat der Gesetzgeber des Landes Berlin eine verfassungskonforme Regelung hinsichtlich der Besoldung in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 und er Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 zu treffen.

Überraschend wenig Beratungen

Der Senat von Berlin entsprach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nach Beteiligung der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Berufsverbände und allen Beschäftigtenvertretungen auf Landesebene einen Gesetzentwurf über die rückwirkende Herstellung verfassungskonformer Regelungen mit seinem Beschluss vom 25. Mai 2021 und legte dem Landesbesoldungsgesetzgeber (Drucksache des Abgeordnetenhauses 18/3745) seinen Gesetzentwurf vor. Der hat am 3. Juni 2021 in erster Lesung den Gesetzentwurf nicht beraten und nur die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Hauptausschuss beschlossen. Vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses wurde am 9. Juni 2021 eine dringliche Beschlussempfehlung (Drucksache des Abgeordnetenhauses 18/3833) für die zweite Lesung des Abgeordnetenhauses am 17. Juni 2021 mehrheitlich mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU, LINKE, GRÜNE und AFD gegen FDP über die Annahme der Gesetzesvorlage beschlossen.

Es sind alle betroffen

Von allen Interessen- und Beschäftigtenvertretungen ist fast inhaltsgleich in der Phase der Beteiligung durch den Senat vorgebracht worden, dass allen beamteten Dienstkräften, Richterinnen und Richtern Nachzahlungen gewährt werden müssten, die auf eine rückwirkende Schaffung einer verfassungsgemäßen Besoldung in den vergangenen Jahren gerichtet sind. Dem ist der Senat nicht gefolgt und darauf hingewiesen, dass universelle Nachzahlungen für alle Dienstkräfte in den A- und R-Besoldungsordnungen für die Jahre 2009 bis 2020 nicht vorgesehen sind und dabei auch auf Detailfestlegungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen.

Die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Was die rückwirkende Anpassung der Besoldung für die Beamtinnen und Beamten in der A-Besoldungsordnung betrifft, verwies der Senat auf die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die abzuwarten ist. Bezüglich derjenigen Haushaltsjahre, die in diesem Verfahren nicht streitgegenständlich sind, wird eine rückwirkende Korrektur voraussichtlich im Zuge des nächsten Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes erfolgen. Allerdings, so betont der Senat, wird diese Korrektur jedoch ebenfalls nur die Alimentationsansprüche erfassen, über die noch nicht abschließend entschieden worden ist.

Im Ergebnis (doch?) akzeptabel“

Der Deutsche Richterbund – Landesverband Berlin e.V. (DRB) machte – teilweise in Übereinstimmung mit dem Verein der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter in Berlin e.V. – geltend:

  • Das Reparaturgesetz berücksichtige nicht die sogenannte „Beamteneckfamilie“ für die Prüfung des Mindestabstands zur Existenzsicherung sowie vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Berechnungswerte für die Unterkunftskosten.
  • Er stellt fest, die Höhe der festgelegten Nachzahlungen sei zwar im Ergebnis akzeptabel, aber er fordert einen Nachweis einer nicht mehr evident unzureichenden Besoldung mittels einer sogenannten Spitzberechnung nach den vom Bundesverfassungsgericht bestimmten Besoldungsparameter.
  • Der Verband spricht sich für die Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 über die amtsangemessene Alimentation bei drei oder mehr Kindern im laufenden Gesetzgebungsverfahren aus.
  • Der DRB fordert, den Verzögerungsschaden mit einem Erhöhungsbetrag auf den sich im Einzelfall ergebenden Nachzahlungsbetrag zu kompensieren.
  • Ferner kritisiert der DRB die vorgesehene Regelung zur Anspruchsberechtigung, die darauf abstellt, dass geführte Vorverfahren nicht bestandskräftig oder Klageverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind.

Ausgesprochen sachlich

Allen Anregungen des DRB kam der Senat begründet nicht nach, wie aus der Gesetzesvorlage (Drucksache des Abgeordnetenhauses 18/3745) zu entnehmen ist. Der Senat ging in der Gesetzesvorlage auch sachlich auf einen vom dbb – beamtenbund und tarifunion – Berlin vorgetragenen Kritikpunkt ein, der Auswirkungen nach der Neufestsetzung der Erhöhungsbeträge für den Familienzuschlag in vom Landesverwaltungsamt festgestellten Einzelfällen beschrieb, jedoch nicht für eine gesetzliche Änderung taugt. Der Ansicht des Hauptpersonalrates, EU-Gremien verweisen darauf, die Richterbesoldung in der Bundesrepublik Deutschland sei nicht ausreichend, um eine unabhängige Justiz zu gewährleisten, trat der Senat mit Verweis auf den ‚Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020‘ der Europäischen Kommission vom 30. September 2020 entgegen und stellte fest, dass damit den deutschen Richterinnen und Richtern eine sehr ausgeprägte Unabhängigkeit bestätigt wird.

Später Aufruf zum Protest

Die am Gesetzgebungsverfahren unmittelbar Beteiligten Spitzenorganisationen der Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter wandten sich am 9. Juni gemeinsam als ‚Besoldungsallianz‘ mit einer Plakat- und Postkartenaktion sowie E-Mail-Aktion an die Dienstkräfte und die Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Sie „verlangen eine umfassende Korrektur der Besoldung und sind es jetzt leid, dass ihre berechtigten Forderungen an die Landesregierung seit Jahren ungehört verhallen“. Kurz nach dem Start der Postkarten- und E-Mail-Aktion hat die Verwaltung des Abgeordnetenhauses die E-Mail-Postfächer für die Aktionen geschlossen. Die Interessenvertretungen schalteten für die Protestmails eigene E-Mail-Anschriften (Protest.Besoldungsallianz@dgb.de, protest.besoldungsallianz@dbb.berlin.de, besoldung@drb-berlin.de), um die Protestmails sammeln und ausdrucken und am 16. Juni im Abgeordnetenhaus übergeben zu können. Der Hauptpersonalrat informierte mit seinem HPR-Aktuell „Im Ergebnis unzureichend“ nach seiner Sitzung am 8. Juni 2021 (www.berlin.de/hpr/).